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„Aber das Oldenburger Stadtmuseum wird doch auch bezahlt…“

Gesa Gerding • Aug. 16, 2023

"Aber das Stadtmuseum wird doch auch bezahlt...

... Wieso dann nicht auch ein neues Fußballstadion?" Die Frage hören wir von der Pro-Neubau-Fraktion ständig. Aber die Argumentation ist falsch. In diesem Blog-Beitrag geht es deshalb darum, warum man das Oldenburger Stadtmuseum nicht mit dem geplanten Fußballstadion vergleichen und erst recht nicht gegeneinander aufwiegen kann. 

Beteiligungsprozess. Blicken wir zurück ins Jahr 2016: Mit einer Fachtagung und einem sogenannten „Stadtlabor“ fiel damals der Startschuss für einen Prozess der Neukonzeptionierung des Stadtmuseums Oldenburg. Insgesamt 4.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Ansicht zum Thema einbringen. Nach der Vorstellung einer Machbarkeitsstudie wurde dann eine Konzeption zur inhaltlichen Ausrichtung des Museums in Auftrag gegeben. In einem weiteren Schritt standen die damalige Leiterin der städtischen Museen und der damalige Leiter des Stadtmuseums öffentlich Rede und Antwort. Es gab also einen echten Beteiligungsprozess. Der fehlt bislang beim geplanten Stadionneubau  (Quelle).


Finanzierung. Reden wir über Kosten. Und zwar über die Kosten öffentlich finanzierter (Groß-)Bauprojekte. Die explodieren nämlich reihenweise. Nicht nur in Oldenburg und nicht nur in Niedersachsen. Egal ob Hamburger "Elbphilharmonie", "Stuttgart 21", der Leipziger "City-Tunnel", die Bremer "Havenwelten" - teure Prestigeprojekte des Staates, die während der Bauphase immer teurer wurden und werden. Und wo es dann scheinbar kein Zurück mehr gibt, sobald der erste Spatenstich getan wurde. In einer gutachterlichen Äußerung von Prof. Dr. Jürgen Schwark heißt es dazu: „Bauprojekte im Kontext mit der Öffentlichen Hand überschreiten regelmäßig die zuvor anvisierten Kosten. In wiederkehrenden Abständen kommt der Textbaustein „Der Stadtrat xy hat einer weiteren Verteuerung der Baukosten um xy Millionen Euro zugestimmt“ zum Einsatz. Konkrete Beispiele für überzogene und ausufernde Baukosten aus der jüngeren Vergangenheit sind u.a. Karlsruhe 123 – 143 – 155 Millionen Euro. Für das Stadion in Saarbrücken lesen sich die Kostenerhöhungen inzwischen wie die Ziehung der Lottozahlen: 16–20–28–40–46–49 Millionen Euro.“


Das bestätigt auch eine Recherche des TV-Magazins Panorama: „… Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten [haben] offenbar System. Kenner der Branche wüßten längst, dass Politiker aus Bund, Länder und Kommunen bestrebt sind, zunächst viel zu niedrig zu kalkulieren, um die Zustimmung der Parlamente für Prestigeprojekte überhaupt zu bekommen." Wenn erst einmal genug Geld in der Baustelle versickert sei, mache es auch nichts mehr, noch zwei oder drei Schippen draufzulegen. Es sei ja nur Steuergeld.


Eine Studie der Hertie School of Governance zeigt, dass öffentliche Großprojekte in Deutschland im Durchschnitt 73 Prozent mehr kosten als geplant. Fehlkalkulationen gebe es vor allem im Planungsprozess.

Nier, H. (11. Januar, 2017). Die größten Kostensteigerungen bei Großprojekten [Digitales Bild]. Zugriff am 16. August 2023, von https://de.statista.com/infografik/3486/die-groessten-kostensteigerungen-bei-grossprojekten/

Auch das Oldenburger Stadtmuseum wird leider teurer als geplant. Der Bau wurde 2017 mit 11,5 Millionen Euro angesetzt. Heute, im August 2023, sind wir schon bei 20 Millionen Euro und das Gebäude steht noch längst nicht. Lässt einen das nicht grundsätzlich skeptisch werden, besonders bei überdimensionierten und unrealistischen Bauvorhaben?


Im Jahr 2017 war die Situation außerdem so, dass Oldenburg finanziell noch gut dastand und sich ein solches Projekt tatsächlich hätte leisten können – wenn denn nicht die Baukosten explodiert wären. Hinzu kommt nämlich ein Zuschuss vom Bund über 8,5 Millionen Euro. Wenn man von der ursprünglichen Kalkulation ausgeht, also deutlich mehr als die Hälfte. Bei einem neuen Fußballstadion gibt es aber keine Finanzspritzen - weder vom Bund, noch vom Land.

Heute ist die finanzielle Situation Oldenburgs völlig anders, als seinerzeit im Jahr 2017. In den letzten Haushaltsberatungen des Stadtrats im Dezember 2022 lautete die Devise: Sparen, sparen, sparen. Das müssen und machen Privatleute auch in solchen Situationen, wieso sollte es einer Stadt anders ergehen? In der Sitzung wurde von Frau Dr. Julia Figura als Stadtkämmerin mehrfach und unüberhörbar betont, dass jeder Sektor einsparen müsse, mindestens drei bis vier Prozent. Der Ukraine-Krieg, Rohstoffknappheit, Tariferhöhungen, Fachkräftemangel und nicht zuletzt die Pandemie haben dem einst durchaus soliden Haushalt mächtig zugesetzt. Zum ersten Mal seit zehn Jahren weist der Haushaltsentwurf für das laufende Jahr 2023 der Stadt ein Defizit aus. Nachzulesen in den entsprechenden Protokollen von Ausschuss- und Ratssitzungen.


Wenn die städtische Bürgschaft für das Klinikum von derzeit 155 Millionen Euro fällig werden sollte, sind schlagartig sämtliche „Rücklagen“ aufgebraucht. Der Umbau der Grundschulen in Ganztagsschulen bis 2026 kostet mehrere zig Millionen Euro. Für städtische Gebäude sollen bis 2035 insgesamt 390 Millionen Euro aufgebracht werden.


Die Frage, die wir uns nun also stellen: Wieso sollten die Kosten für ein neues Fußballstadion nicht auch explodieren? Wer kann versichern, dass es nicht passieren wird? Wie kann sichergestellt werden, dass andere, zwingend notwendige Ausgaben für Gesundheitsversorgung, Bildungsangebote oder Kinderbetreuung nicht darunter leiden werden?

Zweck. Beim neuen Stadtmuseum geht es um die historische Aufarbeitung und Bewahrung der Oldenburger Stadtgeschichte. Das ist eine elementare Aufgabe und Kulturvermittlung in Museen gehört selbstverständlich zur staatlichen Daseinsvorsorge. Ebenso wie die Gesundheitsversorgung, der öffentlicher Nahverkehr oder Schulunterricht. Museen sammeln, bewahren, forschen und vermitteln: „Sie bewahren und vermitteln das Kultur- und Naturerbe der Menschheit. Sie informieren und bilden, bieten Erlebnisse und fördern Aufgeschlossenheit, Toleranz und den gesellschaftlichen Austausch. Museen arbeiten nicht gewinnorientiert. Sie sind der Beachtung und Verbreitung der Menschenrechte – insbesondere des Rechts auf Bildung und Erziehung – sowie der daraus abzuleitenden gesellschaftlichen Werte verpflichtet. Dabei beschränken sie sich nicht auf die historische Rückschau, sondern begreifen die Auseinandersetzung mit der Geschichte als Herausforderung für die Gegenwart und die Zukunft." Jüngste Untersuchungen wie PISA verdeutlichen, dass in Deutschland im Bildungsbereich Handlungsbedarf besteht und nicht an Museen und damit verbundenen Bildungsangeboten gespart werden sollte.

Profi-Fußball ist dagegen ein gewinnorientiertes Geschäft und ganz eindeutig keine Aufgabe der kommunalen oder staatlichen Daseinsvorsorge. Legitimiert ist die begründete Verwendung von Steuergeldern sowieso nur bis zur Regionalliga. Der kommerzielle Fußball ab der 3. Liga, also der Profifußball, "wandert" aus branchenspezifischer Sicht vom Feld des Sports in die Unterhaltungsbranche und ist damit selbst verantwortlich, private Investoren oder Sponsoren zu akquirieren. Aus kommunaler Sicht ist der Profifußball genauso zu behandeln wie etwa ein kommerzielles Großkino oder jeder andere Wirtschaftsbetrieb, nicht jedoch wie ein Freibad, ein Theater oder ein Museum. Profifußball gehört deshalb faktisch nicht zur kommunalen Daseinsvorsorge und ist somit auch keine Aufgabe der Stadt Oldenburg.


Besucherzahlen. In einer von der Stadt veröffentlichten Statistik werden für die Jahre 2017, 2018 und 2019 jeweils etwa 20.000 Besucherinnen und Besucher für das  Stadtmuseum angegeben. Der VfB protzt für die Saison 2022/2023 in der 3. Liga mit 5.141 Besuchern pro Spiel (NWZ). Multipliziert mit 19 Heimspielen sind das 97.679 Fußball-Fans im Marschwegstadion für eine Saison. Die verkürzte - und unzulässige - Darstellung lautet, 20.000 vs. knapp 100.000 aufzuwiegen und zum Schluss zu kommen, dass das Oldenburger Stadtmuseum gar kein Publikum hätte. Wer etwas etwas länger nachdenkt, merkt rasch, dass Museumsbesucher in der Regel eine Ausstellung nur einmal besuchen, Fußball-Fans aber 19-mal im Jahr zu den Heimspielen ins Stadion gehen können und dann auch 19-mal gezählt werden, obwohl es jeweils ein und dieselbe Person ist. Prof. Schwark fasste das Beispiel so zusammen, dass sich die Stadionbesuche auf insgesamt etwa 17.000 Personen verteilten, so dass also maximal 10 Prozent der Oldenburger Bevölkerung einmalig ein Spiel oder mehrere Spiele besuchen. 

Schauen wir jetzt wiederum auf die Zahlen aller Oldenburger Museen, landet man im Jahr 2018 bei insgesamt 151.013 Besucherinnen und Besucher. Also deutlich mehr als selbst 19-mal-gezählte Fußball-Fans. Mit der Corona-Pandemie sind die Besucherzahlen von Museen massiv eingebrochen und bisher nicht auf das Vor-Pandemie-Niveau gestiegen. Daher der Vergleich mit Zahlen aus 2017 bis 2019.

Gewaltproblem. Museumsbesuche erfordern unserer Recherche nach keine Sicherheitskonzepte oder Polizeieinsätze - von Einbrüchen etc. mal abgesehen. Auch nicht wegen Alkoholkonsum oder Gewalt. Gibt es Besucherkategorien A, B und C? Fußballfans werden in diese drei Kategorien eingeordnet. Zur „Kategorie A“ zählen friedliche Fans, die nur das Spiel sehen möchten. Als „Kategorie B“ werden Anhänger bezeichnet, die zwar nicht die Absicht haben, Gewalt auszuüben. Allerdings haben sie ein gewisses Aggressionspotenzial, sie gelten als „gewaltbereit.“ Die „Gewalt suchenden“ Stadionbesucher, die am Fußballspiel wenig bis gar nicht interessiert sind, aber an Randale, gehören zur Kategorie „C“. Zu ihnen werden unter anderem die Hooligans gezählt.

In einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2014 im Niedersächsischen Landtag heißt es, beim VfB Oldenburg seien 40 bis 50 Fans der Kategorie B und 25 bis 35 Fans der Kategorie C zuzuordnen. Zum Vergleich: Dem FC Bayern München mit ungleich mehr Fans, werden übrigens "nur" 50 Kategorie-C-Fans zugerechnet, dem Türkgücü München gar keine, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen von 2020 in Bayern (Seite 9) hervorgeht.


Flächenversiegelung. „Aber beim neuen Museum werden auch Flächen versiegelt – wo sind hier die Ökos?“ Die Fläche ist zum Großteil bereits jetzt schon versiegelt. Der Unterschied ist, dass für ein Stadion zusätzliche und deutlich größere Flächen versiegelt werden würden. Außerdem eine Fläche, unter der sich nachweislich wertvolles Moor befindet. Eine wichtige Frischluftschneise würde wegfallen, die Hundewiese bzw. Hunde-Freillauffläche vermutlich verdrängt werden. Das trifft alles nicht für den Standort des neuen Stadtmuseums zu.


Zu guter Letzt die Antwort auf die uns häufig gestellte Frage „Wieso haben Sie damals keine BI gegen den Museums-Neubau gegründet?“ 1. Museen gehören zur staatlichen Daseinsfürsorge. 2. Museen erfüllen wichtige Aufgaben für die Allgemeinheit. 3. Hätten wir gewusst, dass die Baukosten dermaßen aus dem Ruder laufen, hätten wir uns selbstverständlich frühzeitig eingemischt, so wie wir es jetzt beim Stadionprojekt machen.


Und wen selbst die ganzen Argumente nicht überzeugen: Dann dürfte man doch aus dem „Fehler“ der Vergangenheit lernen und das Fußballstadion nun nicht einfach so durchwinken.

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