Was ist Demokratie? Oder wie die Realität zurechtgebogen wird.
Warum Bürgerinitiativen nicht antidemokratisch sind
Da ist sie wieder, die Herz-Sport-Zuhause-Fraktion der Stadionbefürworter! Ein anonymer Autor kanzelt in einem kruden Besinnungsaufsatz pauschal alle Bürgerinitiativen als antidemokratisch ab. Da wird von einer Spaltung der Gesellschaft fabuliert, von nie endendem Streit, von einem Balanceakt zwischen Beteiligungskultur und demokratischer Akzeptanz, von „Ehrenamtlichen“, die gestalten wollten und nicht können, weil böse Bürgerinitiativen sie mit undemokratischen Mitteln daran hindern. Hindern am Bau von Windkraftanlagen, von neuen Straßen und – aufgemerkt – von „Schulneubauten“. Aha? Wir sind weder gegen Windkraft, noch gegen neue Schulen. Aber gegen unsinnige Projekte, wie ein Stadion für den Berufsfußball zu 100 Prozent von Steuergeld fianziert und ja, auch gegen überflüssige Straßenplanungen.
Es ginge um nichts weniger, als die Frage, so heißt es dort weiter, ob es Aufgabe einer Bürgerinitiative sei, dauerhaft gegen ein Projekt zu kämpfen – „obwohl alle demokratischen Instanzen entschieden haben“. Demokratie bedeute, schreibt der anonyme Autor, „dass wir Entscheidungen tragen – auch wenn sie uns nicht gefallen".

Der Herz-Schmerz-Schreiber verkennt, was unseren demokratischen Rechtsstaat unter anderem auszeichnet, nämlich das Recht für jedermann, Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch politische Entscheidungen. Abgesehen davon, dass in diesem Fall die Entscheidung tatsächlich noch gar nicht gefallen ist. Der Rat hat entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen, Planungen für einen Stadionbau aufgenommen werden. Mehr nicht. Und ganz nebenbei, die Verwaltung hält sich nicht an die beschlossenen Vorgaben, etwa beim EU-Beihilfeverfahren, das trotz demokratischem Mehrheitsbeschluss vom Herbst 2024 bislang nicht eingeleitet wurde.
Wir nehmen das demokratische Recht in Anspruch, Entscheidungen überprüfen zu lassen, wenn sie uns als nicht rechtmäßig erscheinen. Und wir haben das demokratische Recht, uns intensiv an der politischen Meinungs- und Willensbildung zu beteiligen.
Uns und allen anderen Bürgerinitiativen deshalb pauschal antidemokratisches Verhalten zu unterstellen, zeugt von einem kapitalen Missverständnis, was Demokratie bedeutet.
Es ist ein untauglicher Versuch, aus einer prekären Lage zu entkommen, wo die Gegenargumente immer stärker und die eigene Position immer unhaltbarer wird. Ich bin sicher, der Autor ist nicht so einfältig, dass er noch nie etwas von Gewaltenteilung, von Legislative, Exekutive und Judikative gehört hat. Nein, es geht hier wieder schlicht und ergreifend nur um Emotion, die keiner Plausibilitäts- und Sachprüfung unterworfen ist.
Aus dem gleichen Grund, weshalb der holprige Slogan „Herz-Schmerz-Zuhause“ bereits zu einem frühen Zeitpunkt mal ins Spiel gebracht wurde, weil schon seit Beginn der Diskussion um den Stadionbau der Pro-Fraktion ganz einfach schlüssige Sachargumente fehlen.
Was wird passieren? Haben wir ein Stadion, aber keinen zahlungsfähigen Mieter mehr, wird man beim gegenwärtigen Informationsstand klar benennen können, wer in der Verantwortung steht. Das bereitet Unbehagen. Zu Recht
Wie heisst es bei Herz-Sport-Zuhause? „Demokratie bedeutet eben nicht, dass jeder immer bekommt, was er will." Besser kann man es eigentlich nicht ausdrücken.
